Dieses Blog durchsuchen

Freitag, 7. Dezember 2012

Konzertbericht Crystal Castles (5.12.12, Essigfabrik Köln)


Ein Konzert der Crystal Castles soll ja keine normale Sache sein. Und einfach schon gar nicht. Dennoch hätte ich dieser Band ein Mindestmaß an Integrität oder gar Professionalität zugetraut. Nichts dergleichen. Und genau deswegen bescherte mir Alice Glass einen unvergesslichen Abend.
Kaum zu glauben, dass dieses untergewichtige, blasse Mädchen mit mittlerweile wasserstoffblondem Haar in gewisser Anlehnung an Madame Gaga eine derartige Anziehungskraft ausübt, welcher man sich schwerer entziehen kann als dem teils doch recht gefälligen Kaugummi-Pop dieser Band. Eineinhalb Stunden ließen sie und ihr - nennen wir ihn - Partner Ethan Kath die Meute warten, ein DJ versuchte, das bunte Kollektiv aus Goths, Studenten, Avril-Lavigne-Lookalikes und Verirrten zu unterhalten. Die, die zu viel Sportschau gesehen hatten und Robert Smiths Reinkarnation erwarteten, nippten unsicher am Bier und checkten die Champions-League-Ergebnisse. Mehr als launiges Zuckeln mit den Händen in der Hosentasche war jedenfalls nicht aus dem Publikum herauszubekommen. Eine Vorband hätte die heikle Lage eh nicht gerettet, da mir spontan keine Band einfällt, die einigermaßen das wiedergibt, was das Duo Glass/Kath so unverwechselbar macht. Fast ein wenig zu schnell dann die Plage in Form des gleichnamigen Songs. Manche munkelten ja, dass das dritte Album nun endgültig ein Konsenswerk sei, eben jene hätten nicht mehr daneben liegen können. „III“ ist vor allem mal wieder so ein Typ Album, welches sich live entfaltet. Und ja, der Sound war schlecht und nicht gemessen am Ambiente der Location übermäßig gut, so wie beispielsweise Intro schrieb. Zumeist bohrte sich ein fieser Bass in den Kopf, der das Publikum völlig ausrasten ließ. Nur selten gönnten uns Crystal Castles eine Ruhepause, vor allem Alice Glass hüpfte veitstanzgleich über die Bühne und verirrte sich nur selten am Synthesizer, um dann zusammen mit Kath der Menge mit schalem, irgendwo den frühen 1990er-Jahren entliehenem Big Beat einzuheizen. Und die Hits wurden alle gespielt. Sei es der im Verhältnis zum restlichen Material geradezu als Stadion-E-Trash durchgehende Song „Not In Love“, das scootereske „Baptism“, welches ziemlich fies danach klingt, wenn man durch die imaginäre Brille von Alice Glass schaut. Oder eben „Celestica“ als Popsong für die Bestatter. Überhaupt ein Wunder, dass diese überdrehte Amazone, die man wohl nicht einmal mit der gesamten kanadischen Jahresproduktion an Ritalin ruhigstellen könnte, zwischendurch nicht einem von uns Verrückten ins Gesicht springt und die Augen auskratzt. Ist der Bass noch so fies, der Synthesizer noch so präsent, Glass' Stimme findet immer noch einen Weg mitten in die Magengegend. Und wenn das nicht reicht, hauen sie Dinger wie „Insulin“ heraus, ein kranker Shit-Cocktail, der Amy Winehouse noch vor ihrem ersten Album den Rest gegeben hätte. Das Ganze wurde dann noch mit „Kerosene“ übergossen und selbstverständlich abgebrannt. Richtig feierlich wurde es bei früheren Nummern wie „Alice Practice“ oder aber „Crimewave“, der heimliche Liebling des Publikums, das sich zumindest in den vorderen Reihen gnadenlos selbst abfeierte. Interaktion mit selbigem seitens der Band suchte man vergebens. Die Band kam nahezu ohne Ansage mit einer kurzen Entschuldigung hinsichtlich der Verspätung, das war es dann auch. Kath versteckte sich erwartetermaßen hinter den Keyboards. Dazu noch ein Drummer, Christopher Chartrand, um ihn hier einmal namentlich erwähnt zu haben. Was bleibt nach so einem Abend? Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, sich zu ziemlich schlechter Musik zerstört zu haben und versucht auf Nachfrage Interessierter, zu erklären, warum gerade dieses Konzert so famos war, wo doch eigentlich nichts wirklich stimmte. Und vielleicht ist es auch gerade das Schöne, ja, vielleicht Unbeschreibliche, dass die Musik von Crystal Castles irgendwie funktioniert, weil in ihr alles steckt, was schlecht ist. Vielleicht sogar schlechter als das Erbrochene von eben jener Alice Glass, die sogar singen könnte, wenn das nicht so abwegig und gefällig wäre. Damit verbunden ist aber auch das erhabene Gefühl, eine Art elitäre Schrottinsel gefunden zu haben, die nur Insidern vorbehalten ist. Insofern klarer Punktsieg für den Trieb, für das Es.

Donnerstag, 18. Oktober 2012



Adorable - Against Perfection (CRE 138 LP, 1993)

Einerseits waren die 1980er- und 1990er-Jahre eine Goldgrube des schlechten Geschmacks, andererseits etablierten sich gerade in dieser Zeit einige Künstler und Bands, die man heute, ohne lange nachzudenken, zu prägenden Figuren der Popkultur zählen würde. Dennoch kann man diese beiden Dekaden auch als Friedhof ansehen, hinsichtlich einiger Bands und deren Musik.
Adorable gehören zweifelsfrei dazu, denn eigentlich waren die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Werdegang der Band aus Coventry, England, gegeben. Den Bandnamen markant gewählt, ein charismatischer Frontmann mit wirklich massenkompatibler Stimme, Creation Records als Label. Drei Entitäten, die einer anderen Band mit zwei Brüdern und großem Ego zu Weltruhm verhelfen sollten.
Die Ursache für das Scheitern der Band, so man es denn so ausdrücken möchte, liegt am ehesten zu jeweils gleichen Anteilen am Ruf der englischen Shoegazing-Szene, an dem Nicht-Vorhandensein eines viralen Marketings à la Youtube sowie am generellen Schicksal vieler kleiner, kurzlebiger Bands in UK Anfang und Mitte der 1990er-Jahre. Dennoch sind Adorable nicht vergessen worden, wie der Release einer Kompilation aus dem Jahre 2008 zeigt.
Against Perfection, quasi programmatisch für das Schaffen der Band und doch widersprüchlich, erschien im März 1993 mit der Lead-Single Sunshine Smile. Als Vorschusslorbeeren konnte die Band die Aufmerksamkeit des NME für sich verbuchen, der Sunshine Smile völlig zurecht zur Single der Woche wählte. Auch die Folgesingles (I'll Be Your Saint, Homeboy, Sistine Chapel Ceiling) schafften allesamt den Sprung in die UK-Indie-Charts. Der Stil der Band wurde gerade in der Anfangszeit nahezu fahrlässig als Shoegazing bezeichnet, weswegen die Band oft in einem Atemzug mit anderen großartigen Bands wie Slowdive oder Chapterhouse fiel. Sicherlich haben sich auch Adorable der in der Szene gängigen Effekte bedient, allerdings klingen ihre Songs kraftvoller und straighter als jene der oft verwendeten Referenzen. Sunshine Smile als Opener des Albums ist in erster Linie eine Hymne, Noise-Stadionrock und somit kein Shoegazing-Gewaber, welches verzerrt den Ausgang aus dem Proberaum sucht. Die anderen Songs des Albums sind allesamt kleine Noise-Alternative-Pralinen, denen es zu widerstehen gilt. Auch wenn dem Album in der Mitte die Puste auszugehen scheint. Gerade Cut #2 und Still Life gehören zu den schwächeren Songs.
I'll Be Your Saint erinnert an eine Swervedriver-Single, während Sistine Chapel Ceiling mit kleinen Effekthaschereien insgesamt doch einen ruhigen Popsong im Adorable-Repertoire repräsentiert, der zum Ende hin deutlich an Fahrt aufnimmt. Herausragend über die gesamte Spielzeit von 48 Minuten ist dabei das Organ von Piotr Fijalkowski. Mal besonnen und auf der Noise-Welle entspannt surfend, mal regelrecht ausbrechend (Sistine Chapel Ceiling) stellt sich der Gesang dar. Gerade besagtes Sunshine Smile lebt von der Intonation des englisch-polnischen Frontmanns, wodurch es zu einem famosen, ja, Ohrwurm heranwächst. Adorable zeigen auf ihrem Debüt eindrucksvoll, dass nicht erst Glasvegas und Amusement Parks On Fire Shoegazing als Massenphänomen etablierten. Mit ein bisschen Glück wäre es Adorable schon weitaus früher gelungen, das jedoch spräche – ganz im Sinne – gegen ihre Perfektion. 

Wertung: 8/10